Verrückt nach Socken

Wenn das eigene Leben verrückt spielt, hilft es manchmal weiteren Wahnsinn von außen hinzuzufügen. Diese tolle Idee kam mir zumindest Ende Februar. Mein letzter knit-Along mit mehr als drei Teilnehmern war schon eine Weile her und mit diesem ganz im Speziellen liebäugelte ich bereits seit ein, zwei Jahren. Also meldete ich mich hochmotiviert bei der Sock Madness an.

Dieser KAL ist eigentlich ein Wettbewerb und der Name ist Programm! Nach erfolgreicher Anmeldung und Qualifikation wird man in Teams eingeteilt und die Anzahl der Teilnehmer, die weiterkommen können, verringert sich mit jeder Runde bis nur noch 26 übrig sind. Diese treten dann direkt gegen einander und nicht mehr im zugewiesenen Team an. Die Kriterien sind dabei neben der Zeit (maximal 2 Wochen oder bis alle Plätze für die nächste Runde belegt sind) das akribische Befolgen der mit dem Muster ausgegebenen Anforderungen, die mindestens aus einer erforderlichen Größe und dem Verbot von Anpassungen bestehen. Die Einhaltung wird mittels Fotos geprüft und so wird man nicht nur gut darin, in kürzester Zeit neue Techniken zu lernen, sondern weiß danach auch, wie man Stricksachen selbst um Mitternacht bei Kunstlicht gut aussehen lässt. Das ist deswegen wichtig, weil häufig Minuten entscheidend für den letzten Platz im Team oder gar dem Gesamtsieg sind!

Qualifier

Wem das noch nicht nervenaufreibend genug ist, hat noch keinen Blick auf die eigentlichen Muster geworfen. Denn Anfang als Qualifier machte Caia Gossens mit den „Engelkristall Socken„. Ich hatte im Voraus eine gute Freundin meiner Eltern nach ihren Schuhgröße gefragt und mit Größe 41 habe ich genau die Mindestanforderungen getroffen. Die notwendige Sicherheit beim Zopfmuster hatte mir das Tuch Banrion gebracht, das ich etwas früher angeschlagen hatte. So entging mir ganz der Schrecken meiner ersten Helix Socken. Bei dieser Technik wird ausgenutzt, dass Runden eigentlich Spiralen bilden und man so wunderbar Ringelsocken stricken kann, ohne dass sich Fäden verkreuzen müssen.

Engelkristallsocken in Größe 41

19g rot, 50g grau (3.-13.3.22)

Einschub: Vorbereitung und Organisatorisches

Die gesamte Organisation läuft über die entsprechende Gruppe auf Ravelry, wobei die Muster für jede Runde per E-Mail verschickt werden. Ebenso die Bonusmuster, die man erhält, wenn man innerhalb der Zeitvorgabe/Runde fertig wird.

Vorab findet man dort auch die Informationen welches Material man braucht. Ich hatte im Voraus einen längeren Sonntagnachmittag mit dieser Liste und meinem Vorrat an Sockenwolle verbracht, da ich nach Möglichkeit meine Bestände verstricken wollte (das hat bis auf eine Ausnahme sogar funktioniert) und leider nicht spontan zum Wollgeschäft komme. Dinge wie Perlen und passende kleine Häkelnadeln musste ich bestellen und auch Sockblocker (Bretter auf die man die Socken ziehen kann) kamen neu in mein Leben. Allerdings habe ich da den Fehler gemacht nur einen Satz zu bestellen und musste für die beiden gängisten Größen den zweiten Blocker jeweils aus Karton nachbasteln. Auch habe ich mir endlich ein gescheites Sockenlineal aus Holz gegönnt.

Runde 1

Weiter ging es im Team Albeniz mit den Langsamstickern und Voll berufstätigen. Die Ipomoea (Prunkwinden) konfrontierten mich mit dem lange vermiedenem Einstricken von Perlen und ergaben als Größe 40 mit breitem Fuß ein gutes Geburtstagsgeschenk für meine Großmutter mütterlicherseits.

Ipomoea Socken in Größe 40 – an deutlich kleineren Füßen; mit Zählfaden

Ich habe mich relativ schnell für das Setzen von Perlen mit einer Häkelnadel entschieden. Aber es gibt wohl auch die Möglichkeit, dass mit einem Stück Faden zu machen.

79g (18.-25.3.22)

Runde 2

Da man beim Colour-Work oft fester strickt, wechselte ich für die nächsten Socken auf 2,5mm und eine Rundstricknadel. Das dadurch kleinere Packmaß der Plaid Pocket Socks zahlte sich aus, als ich das erste Aprilwochenende sehr spontan im Krankenhaus verbringen musste. Während mir also von der OP alles wehtat und ich noch nicht wusste wie ich die emotionale Seite verarbeiten sollte, lag ich im Bett und strickte. Für mich selbst sind sie ein klein wenig zu groß, aber mit den Erinnerungen kann ich sie nicht guten Gewissens weiterreichen.

Pocket Plaid Socks mit gefüllten Taschen – definitiv größer als Größe 38

Das Muster selbst ist süß und in meinem Team wurde fleißig diskutiert und auch gezeigt, wozu man die Tasche verwenden kann.

17g dunkellila, 14g lila, 55g weiß (29.3.-7.4.22)

Runde 3

Über Ostern gab es keine kleine Verschnaufspause für alle – wenn auch kurzweilig gestaltet durch ein Bonusmuster. Offiziell als nächstes kamen aber die „Cably Wably“, die mir mal wieder aufzeigten, dass ich bei Toe-up echt schlecht im Größenabschätzen bin. Ich wollte Socken in Größe 41 für meine zukünftige Schwiegermutter stricken – aber wie die Waden beweisen, passen sie meinem Freund besser.

Der Titel ist wohl eine Anspielung an die Dr. Who Erklärung wie das Raum-Zeit-Kontinuum funktioniert und ich kann dazu nur ergänzen, dass die ganzen kleinen Zöpfe echt viel Zeit gekostet haben – und da bin ich noch nicht mal an der ganz besonderen Ferse und dem Querstreifen unterm Bündchen.

91g (19.4.-1.5.22)

Runde 4

Geht man nach dem Namen der nächsten Socken, habe ich wohl mit meiner Farbwahl das Thema verfehlt. Zumindest stelle ich mir unter „Strawberry Martini“ etwas anderes vor. Aber da ich zu Beginn meine Farben ausgewählt hatte, blieb ich dabei und auch wenn auf dem Foto meine Füße drin stecken, sind das Herrensocken in Größe 41.

Anfangs nervig war, dass die Rückseite komplett anders aussieht als das Muster auf dem oberen Teil des Fußes. Doch die Ringel haben dann dazu geführt, dass ich doch gut voran kam („nur noch bis zum Beginn der neuen Farbe…“).

76g (4.-.14.5.22)

Runde 5

Diese Runde wartete mit einer Art Belohnung für Schnellstricker und der Erkenntnis, dass es manchmal doch Rundstricknadeln braucht, auf. Die Unbearably Adorable wurden Toe-up gestrickt und bis auf das kleine, später zusätzlich gestickte Herz („keine Angst vorm Strümpfe stopfen“) war es einfach glatt rechts. Da machte es auch nichts, dass ich in tiefem dunkelblau angeschlagen hatte und ich war in persönlicher Rekordzeit sogar mit der Ferse fertig. Aber dann kam die nächste Technik: stacked stitches. In einem bestimmten Rhythmus werden Maschen hinzugenommen, zusammengestrickt und zurück auf die linke Nadel geschoben, um erneut bearbeitet zu werden, sodass aus den ursprünglich 63 Maschen zwischenzeitlich über 100 wurden.

Nach kurzer Beratschlagung mit meinem Team und unserer Admina habe ich dann auf eine Rundstricknadel mit langem Seil gewechselt, da die Spannung der restlichen Maschen auf der Nadel zu verkrampfen und schmerzenden Händen geführt hat. Zur Erklärung: die hellblauen Linien im Bild sind jeweils eine vollständige Runde. Zum Schluss ging selbst das dann mit nur wenig hinsehen, was gut war, da das Paar mitten in der Nacht fertig wurde und meine Augen entsprechend müde waren.

12g hellblau, 71g dunkelblau (19.-25.5.22)

Runde 6

Die Problematik, dass man die SockMadness irgendwie mit seinem restlichen Leben koordinieren muss, wurde erstaunlicherweise erst in meiner letzten Runde (offiziell gibt es 7) wirklich deutlich. Das Erscheinungsdatum für das nächste Muster (sie werden per E-Mail zugeschickt) war nach vorne verlegt worden und fiel so auf eine Ausflug mit meiner Mutter. Zwar hatte ich alle Materialien dabei, aber kurz vor dem Einstricken der Perlen war dann Schluss. Denn das war mir während der Autofahrt dann doch zu heikel. Und nach dem Bündchen strickte ich erstmal nur einen Socken fertig. Der wurde dann prompt zu kurz, da nach sieben Paaren (mein Freund hatte zwischendurch ein weitere Paar bekommen) meine Lust an Socken vergangen war.

frisch aufgeschnittene Socke. Man sieht etwas Zahnseide, mit der die Maschen links und rechts vom Schnitt gesichert wurden
frisch aufgeschnittene Socke

Ich freute mich also für diejenige, die ihre Sock Princess innerhalb der Zeit als erste von uns fertig hatte, bekam große Augen, als ich das Muster für Runde 7 sah und schob die Projekttasche von einer Seite des Sofas zur anderen. Von meinen Kollegen kamen währenddessen die ersten Fragen nach meinen Wichteln und ob ich wieder neue stricken würde und mein Freund beäugte sorgenvoll die wachsende Anzahl der Projekte, da ich im Juni auch wieder angefangen hatte zu sticken. Also setzte er durch, dass erst ein Projekt fertig werden müsse, bevor ich das nächste anfangen durfte.

Nach anfänglichem Grummeln machte die zweite Socke dann sogar Spaß. Ich wusste, dass der Steek (zweifarbig in Runden arbeiten und nach dem Sichern der Maschen mittels z.B. Heften mit Nähgarn) funktionieren würde, was an der Ferse auf mich zukam, wie sehr mich die sog. Prinzessinensohle (die rechten Maschen liegen innen – man strickt also die Hälfte des Fußes links) nerven würde und dass die Blenden für die Bänder kein Hexenwerk waren. Mit 12 Runden mehr am Fuß passten sie sogar. Nur für das Zusammennähen von Colourwork und Lace-Innenleben hätte ich mir klarere Instruktionen gewünscht. Denn das und das anschließende Vernähen aller Fäden hat alleine 2 Stunden gedauert.

10g rot, 67g weiß (29.5.-9.8.22)

Gesamterfahrung

Trotz des Zeitdrucks und der Überforderung, die von einem Besitz ergreift, sobald man das Muster für die nächste Runde sieht, bin ich begeistert. Zugegebenermaßen sind nicht alle Socken mit ihren Mindestanforderungen tragbar und für jemanden in meiner Größenordnung war selten etwas dabei, aber die strikten Vorgaben haben mir geholfen, mir auch Komplizierteres ein zweites Mal anzuschauen und ich habe eine Reihe neuer Techniken gelernt:

Am besten hat mir jedoch der soziale Aspekt gefallen. Gerade Runde 2 und 4 fielen bei mir mit Phasen zusammen, in denen es mir körperlich (und auch seelisch) echt bescheiden ging. Das ganze Konzept ist auf den Austausch untereinander ausgelegt. Es gibt Threads für die jeweiligen Teams, aber auch für bestimmte Sprachen und natürlich rund um die jeweiligen Socken. Wenn man Hilfe braucht und lieb frägt, bekommt man sie. Wenn man unsicher mit der Farbwahl ist, bekommt man Tipps. Wenn man ein Paar Socken hinbekommen hat, wird begeistert darauf reagiert. Wenn es einem aus privaten Gründen schlecht geht, bekommt man zumindest virtuell Umarmungen und Anteilnahme. Genauso werden aber auch die schönen Dinge geteilt oder einen Abend lang über Unterschiede und Gemeinsamkeiten der englischen und deutschen Segelterminologie diskutiert.

Vielleicht mache ich also nächstes Jahr wieder mit.